Beitrag 16.10.2009 14:11

"Der Herr Karl" im Heinz-Nittel-Hof

Dieser 1961 von Carl Merz und Helmut Qualtinger geschriebener und von Helmut Qualtinger ebenfalls 1961 uraufgeführte Monolog traf die österreichische Volksseele ins Herz. „Der Herr Karl“ ist mehr als eine Satire auf die Österreicher als solches, sondern zeichnet das Bild einen Opportunisten, der sich selbst für einen Idealisten hält, der etwas bewegt, etwas erreicht hat. Tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall. Ein Mitläufer war er, nichts hat bewegt und auch nichts erreicht.

Und auch wenn der Herr Karl von Zeiten erzählt, die schon lange zurück liegen, liegt genau in diesem Widerspruch die besondere Aktualität dieses Werkes.

Ing. Dieter Preinerstorfer bringt es in seiner Lesung des wohl bekanntesten Werkes der Autoren Merz und Qualtinger auf den Punkt: Die Herrn Karls sind unter uns!

Versäumen Sie auf keinen Fall dieses Highlight der österreichischen Kulturszene bei freiem Eintritt. Wir freuen uns, wenn wir Sie am Freitag, den 6. November, um 19 Uhr in der Bücherei Groß Jedlersdorf begrüßen dürfen.

1961 trat Qualtinger in dem Ein-Personen-Stück Der Herr Karl (Regie: Erich Neuberg) als Feinkostmagazineur auf und schaffte damit seinen Durchbruch im deutschen Sprachraum. Der Herr Karl arbeitet im Keller eines Lebensmittelladens und erzählt einem imaginären Kollegen (im Film der Kamera) von seinem Leben vor, während und nach dem Krieg. Oberflächlich betrachtet erscheint der Herr Karl als netter Kerl mit liebem Blick ("I kann scheen schaun"). Doch nach und nach erfährt der Zuschauer von dem Wendehals und Opportunisten Herrn Karl, der eigentlich ein gefährlicher, weil unberechenbarer Mitläufer ist. Hier ist seine Intonation bezeichnend: von einer Bewunderung der Nazis auf Wienerisch wechselt er schlagartig in eine Art verordneten Ekel in der Hochsprache. Wahrscheinlich haben mehrere authentische Gestalten als Vorbilder für den Herrn Karl gedient, unter anderem ein Magazineur, mit dem Qualtingers Kollege Nikolaus Haenel in einer Wiener Feinkosthandlung arbeitete. Zusammen mit Carl Merz schuf Qualtinger mit dem Herrn Karl eine Schreckensfigur, die ihm in Österreich viele Feinde und sogar Morddrohungen einbrachte; so offen hatte vor ihm noch niemand den Durchschnittsbürger als Mittäter entlarvt und dargestellt.
Helmut Qualtinger galt als eher schonungsloser Kritiker des gemeinen Mannes denn als Kritiker der Mächtigen. Dennoch wurde ihm nachgesagt, dass er mit dem Lied „Der Papa wird's schon richten“ (T.+ M.: Gerhard Bronner) den Rücktritt des damaligen Nationalratspräsidenten Felix Hurdes bewirkte; dessen Sohn war in einen Autounfall mit Todesfolge verwickelt, was vertuscht werden sollte.[1] Seine Meinungen und Kommentare schrieb er in einer bürgerlichen Zeitung, dem Kurier, beispielsweise von 1955 bis 1961 gemeinsam mit Carl Merz die wöchentliche Glosse Blattl vor'm Mund.
Ab den 1970er Jahren verstärkte Qualtinger seine schriftstellerische Tätigkeit und ging vermehrt auf Lesetourneen. Seine Lesungen eigener und fremder Texte (u. a. auch Adolf Hitlers „Mein Kampf“) waren so erfolgreich, dass sie auch auf zahlreichen Sprechplatten erschienen. Neben und vor allem nach seinen Kabarettzeiten spielte er unzählige Theater-, Film- und Fernsehrollen, zuletzt den Remigio da Varagine in Der Name der Rose nach Umberto Ecos Roman an der Seite von Sean Connery.
Während der Aufnahmen zum Film „Der Name der Rose“ erkrankte er schwer. In den letzten Filmszenen musste häufig unterbrochen werden, da er starke Schmerzen hatte. „Der Name der Rose“ wurde sein letzter Film.
Grab am Wiener ZentralfriedhofIm Alter von 57 Jahren starb Qualtinger am 29. September 1986 in seiner Geburtsstadt Wien an seinem Leberleiden, welches sich vermutlich durch seinen Alkoholismus verstärkt hatte. Er ist in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33 G, Nummer 73) beerdigt.
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